Auszüge aus dem Entscheid «Seedorf (BE)»

Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 12. November 2012 im Beschwerdeverfahren gegen die Verweigerung der Bewilligung für einen Belagseinbau in der Gemeinde Seedorf

Das Verwaltungsgericht bestätigt in seinem Urteil, dass dem Einbau eines Asphaltbelages auf einer Wegstrecke von rund 400 Metern die Bewilligung nicht erteilt werden darf. Das Gericht stützt seinen Entscheid u.a. auf folgende Erwägungen:

Kiesbankette am Fahrbahnrand sind keine angemessene Lösung

Ein Kiesbankett von 1 Meter Breite ohne physische Trennung von der Fahrbahn genügt den Anforderungen des FWG an einen Wanderweg nicht und darf nicht als angemessener Ersatz nach Art. 7 FWG bezeichnet werden.

Zitat aus dem Urteil: «Der als Wanderweg geeignete Boden [auf der Zufahrtsstrasse] würde sich auf eine Breite von rund einem Meter reduzieren [Kiesbankett]. Damit der (verbliebene) Wanderweg von den Wandernden noch als solcher an- und wahrgenommen würde, müsste er zusätzlich physisch von der asphaltierten [Zufahrtsstrasse] abgegrenzt werden, zumal das Bauprojekt eine Asphaltierung über mehrere 100 m vorsieht. Ansonsten vermag der Wanderweg nicht mehr dieselben Möglichkeiten zur Erholung zu bieten. […] Angesichts dieser Strassenverhältnisse erscheint es wahrscheinlich, dass ohne physische Abgrenzung die angrenzend zur asphaltierten Strasse Wandernden an den Rand gedrängt würden. Eine freie und gefahrlose Begehbarkeit wäre nicht bzw. jedenfalls nicht mehr wie bisher gewährleistet, zumal [die Zufahrtsstrasse] keine Einbahnstrasse ist. Das Bauvorhaben würde damit zu einer spürbaren Verschlechterung der Qualität des über [die Zufahrtsstrasse] verlaufenden Wanderwegnetzes führen. […] Die physische Abgrenzung zwischen asphaltierter Zufahrtsstrasse und Wanderweg dient insbesondere der freien und gefahrlosen Begehbarkeit und entspricht einem Hauptanliegen des FWG. […] Die über [die Zufahrtsstrasse] führende Wanderroute würde nach dem Gesagten in ihrer Qualität merklich beeinträchtigt. Die von der Beschwerdeführerin vorgesehene Lösung würde zu einem erheblichen Eingriff in das Wanderroutennetz führen und kann nicht mehr als gleichwertig mit dem heutigen Zustand betrachtet werden.»

Interesse am Wanderweg wird höher gewichtet als Interesse der Anwohner

Das öffentliche Interesse an der Erhaltung des Wanderweges mit gekiester Oberfläche ist höher zu gewichten als das Interesse der Anwohner, den Weg staubfrei zu machen.

Zitat aus dem Urteil: «Ist ein Eingriff erheblich und überdies auch nicht für angemessenen Ersatz auf vorhandenen oder neu zu schaffenden Wegen gesorgt, so steht das Bauvorhaben den Zielen der Fuss- und Wanderweggesetzgebung entgegen und darf grundsätzlich (vgl. aber E. 5 hiernach) nicht bewilligt werden (Art. 7 Abs. 1 FWG). […] Die durch den Gesetzgeber gewollte starke Gewichtung des Interesses an der unveränderten Erhaltung der Wanderwege ist für die rechtsanwendenden Behörden massgebend, insbesondere wenn der zur Diskussion stehende Wanderweg - wie vorliegend - eine kantonale Hauptroute bzw. Hauptwanderroute darstellt (Art. 5 Abs. 2 EV/FWG; Art. 25 Abs. 1 und 2 SV). Das Verwaltungsgericht hat deshalb bereits bei anderer Gelegenheit den Wunsch nach Staubfreimachung nicht als genügendes öffentliches bzw. privates Interesse erachtet, um erhebliche Eingriffe in das Wanderroutennetz zu rechtfertigen (BVR 1991 S. 222 E. 4d; VGE 19058 vom 17.8.1994, E. 5c; vgl. auch Baudirektion des Kantons Bern [heute: BVE] 17.8.1988, in BVR 1989 S. 152 E. 6). Zudem können die Anwohnerinnen und Anwohner selbst dazu beitragen, übermässige Staubentwicklungen zu verhindern, indem sie den Weg mit angepasst tiefer Geschwindigkeit befahren (ebenso BVR 1991 S. 222 E. 4b). Die von der Gemeinde vorgebrachten Interessen sind deshalb - obwohl nachvollziehbar - zu relativieren.»